Timo Lochocki im Interview mit Alexander Marguier – „Deutschland kann das neue Amerika werden“

Shownotes

Donald Trump hält die Welt in Atem, und die europäischen Befindlichkeiten scheinen für den US-Präsidenten keine Rolle zu spielen: „America first“, lautet die Devise im Weißen Haus. Dabei geht die Administration in Washington rücksichtslos auch gegen frühere Freunde und Verbündete vor. Drohen die Vereinigten Staaten auf ihrem rigorosen Weg sich auch vom demokratischen Grundkonsens abzuwenden und in einen autoritär regierten Staat zu verwandeln? Der Politologe Timo Lochocki ist jedenfalls davon überzeugt, dass es genau so kommen wird – und plädiert deshalb dafür, konsequent „Deutsche Interessen“ zu verfolgen, wie auch der Titel seines soeben erschienenen Buchs lautet. Im Gespräch mit Cicero-Chefredakteur Alexander Marguier erklärt Lochocki, was jetzt geschehen muss, damit die Bundesrepublik die USA als neue liberale Führungsmacht ablösen kann.

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Timo Lochocki: Deutsche Interessen. Wie wir zur stärksten Demokratie der Welt werden - und damit den liberalen Westen retten, Herder 2025

Inhalt Podcast: 5:33 "Mit dem Aufstieg der rechten Akteure, gerade in Frankreich, in Südeuropa, aber eigentlich allerorten, ist dieser permissive Konsens passe. Das heißt, es gibt eigentlich nicht mehr die Möglichkeit, große Reformprojekte zwischen den Nationalstaaten zu ermöglichen. Und sogar möchte ich einen entscheidenden Schritt weitergehen. Der Aufstieg antidemokratischer Kräfte, gerade in Frankreich oder Italien, führt dazu, dass diese Staaten eigentlich auf mittlere Sicht höchstwahrscheinlich keine stabilen liberalen Demokratien mehr sein werden. Das wird Deutschland bleiben die nächsten zehn Jahre." (Timo Lochocki)

14:12 "Das Problem ist, dass um diesen drei Herausforderungen zu begegnen, brauchen Sie eine extrem starke Staatsrolle, eine extrem hohe öffentliche Ausgabenlast und damit eine fundamentale Reform der Schuldenbremse oder eben unzählige Sondervermögen und einen ganz klaren deutschen Führungsanspruch für Deutschland in der demokratischen Mitte und für Europa nach außen getragen. Und diese drei Prämissen starker Staat, Schuldenbremse, deutsche Führung, das geht gegen den Kern der deutschen Identität. Und deswegen ist es so schwer." (Timo Lochocki)

16:22 "Und so komme ich in meinem Punkt auf vier notwendige Reformstränge. Das eine ist eine Absicherung der demokratischen Institutionen, vor allem mit einem Schwerpunkt auf Depolarisierung und Stärkung der politischen Mitte. Da gibt es unzählige Möglichkeiten, die kaum diskutiert werden. Das zweite ist eine Stärkung der Effizienz und Produktivität aller staatlichen Organe. (…) Dann zum Dritten kommen wir dann zu einer extremen Förderung und Stärkung der Freiräume der Bürger und Unternehmen. (…) Und das vierte ist in meinen Augen eine Reform, ein Empowerment der außenpolitischen Organe der Bundesrepublik und dort wie vorhin besprochen, dezidiert und das muss man so offen aussprechen, die Herstellung der Kriegsfähigkeit der deutschen Streitkräfte und der deutschen Geheimdienste." (Timo Lochocki)

20:51 "Das ist in meinen Augen, so hart es klingen mag, wohl die größte Herausforderung für die deutsche Demokratie seit '49. Es sind nicht die Russen und nicht die Chinesen. Es ist diese US-Regierung und diese Tech-Riesen." (Timo Lochocki)

25:03 "Aktuell, in meinen Augen, spricht sehr viel dafür, dass wir einen Staatsstreich in den USA erleben. Und das ist die größte Veränderung seit '45, '49. Das würde bedeuten, dass zum allerersten Mal die USA die Seiten wechseln. Und das bedeutet eben wiederum, Kernthese meines Buches, die weltweit potenteste Demokratie sind wir, Deutschland." (Timo Lochocki)

28:52 "Der Staat muss sich auf jeden Fall aus dem Privatleben der Bürger total raushalten. Der Staat muss den Kulturkampf sofort beenden. Er muss dazu beitragen, dass jede Form der Polarisierung, die Staat nicht nur auch in einem Mü gefordert werden könnte, zurückgebaut wird. Er muss sozusagen den Bürgern ihr Privatleben komplett selbst überlassen." (Timo Lochocki)

30:45 "Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer und er kann nicht wissen, wo, in Anführungszeichen, Technologieentwicklung hingehen. Aber er kann Unternehmen, in denen er sagt, 'diese Sektion, dieses Thema ist hochrelevant', indem er ihnen große Aufträge zukommt, dafür sicherstellen, dass die die Mittel haben, selbst zu entscheiden, wo die Reise hingehen soll." (Timo Lochocki)

Kommentare (2)

DerGid

Schon der Einstieg ist meiner Ansicht nach eine Realitätsverdrehung par Excellence! Wir haben nach der Wahl und durch die Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD also die Chance auf eine "stabile demokratische Regierung der Mitte"? Ist das der Wählerwille Herr Lochocki? Steht in unserer Vefassung etwas von einer anzuwendenden Brandmauer gegen demokratisch gewählte Parteien? Und ist es verfassungskonform, eine Armee von NGO's zu finanzieren, die dann den politischen Gegner diffamiert und über Spenden wiederum die Parteien unterstützt, die sie finanzieren? Staatsrechtler beklagen zudem die 5 % - Hürde als Ausschlussverfahren für den Wählerwillen. Und Trump ist der "demokratische Antichrist"? Warum, weil er Frieden schaffen will und die nicht verfassungskonformen Zahlungen an NGO's (z. B. Ukrainehilfen für Wirtschaftsmillionäre) beenden will? Ich bin sehr gespannt, welch steile Thesen ich noch von Ihnen zu hören bekomme.

Siegfried Kaiser

Lochockis Vorschläge sind ambitioniert, aber in der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Lage kaum realistisch. Die notwendigen Reformen sind eher theoretische Visionen als konkrete Pläne, da es an politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen fehlt. Ohne eine grundlegende Reform der politischen Kultur, eine Wiederherstellung von Transparenz und eine Rückbesinnung auf rationale Politik bleibt seine Vision Wunschdenken. Zudem widersprechen sich einige seiner Vorstellungen in der praktischen Umsetzung. Ein realistischeres Szenario wäre eine schrittweise Modernisierung Deutschlands mit klar definierten Reformzeiträumen und international abgestimmten Maßnahmen.

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